Articles | Volume 20, issue 1
https://doi.org/10.3285/eg.20.1.14
https://doi.org/10.3285/eg.20.1.14
31 Oct 1969
 | 31 Oct 1969

Untersuchungen zur jungquartären Flußgeschichte der Lahn in der Gießener Talweitung

R. Mäckel

Abstract. Anhand der untersuchten Talkomplexe wurden verschiedene Arbeitsphasen der Lahn im Spät- und Postglazial rekonstruiert und ihre Ursache und ihr Ausmaß erörtert. Die Ergebnisse morphologischer Flußtätigkeit wurden in der Karte über die Sedimentationsniveaus der Lahn (Abb. 14) zusammengetragen. Ausschließliche und länger andauernde Sedimentations- oder Erosionsphasen waren nicht festzustellen. Die Ausräumung der Talaue ging hauptsächlich durch die Seitenerosion des mäandrierenden Flusses vor sich, während sich die Neusedimentation auf einem tieferen Niveau im Gleithang vollzog. Die Tieferlegung eines älteren Augürtels fand auch durch Kappung einzelner Sedimenthorizonte bei Hochwasser statt. Beide Abtragungsformen führten zur Bildung unterschiedlicher Auniveaus, die durch eine deutliche Stufe getrennt waren. Die mittelalterliche und neuzeitliche Ausedimentation glichen diese Höhenunterschiede weitgehend aus, so daß heute aufgrund der Höhenlage und Oberflächenform nicht auf das Alter und den Aufbau der Talkomplexe geschlossen werden kann. Die im Oberflächenbild deutlich erkennbaren Austufen entstanden erst in der späten Phase der neuzeitlichen Sedimentation und nach der Kanalisation durch die oben erwähnte genetisch unterschiedliche Entstehungsweise. In fast allen Zeitabschnitten des Spät- und Postglazials herrschten in der Lahntalaue die Voraussetzungen für eine Ausedimentation. Es konnten sechs pedologisch und durch pollenanalytische Untersuchungen und archäologische Funde zeitlich unterscheidbare Ausedimente (AS 1 bis 6) genau festgestellt werden. Für die Datierung der Sedimentfolgen erlangen im Gießener Lahntal zwei flächenhaft verfolgbare Leithorizonte, der Laacher-See-Tuff und die Feuchtschwarzerde, eine besondere Bedeutung. Als ältestes Ausediment wurde das Präbims-Ausediment (AS 1) ausgegliedert. Dieser zumeist gelbbraune, sandig-lehmige Schluff geht kontinuierlich aus Sanden hervor, die über spätglazialen Schottern liegen. Er wurde vom frühen bis zum mittleren Alleröd abgelagert. Das Ausediment 2, ein heller sandiger bis toniger Lehm entstand nach der weithin verfolgbaren Ausräumung des Bimsniveaus, wahrscheinlich in der Jüngeren Dryaszeit oder im Präboreal. Es bildet mancherorts das Ausgangsmaterial des holozänen Bodens, der Feuchtschwarzerde. Sie konnte sich im Talgrund seit dem Präboreal auf verschiedenem Ausgangsmaterial entwickeln. Diese Bodenbildung wurde im Untersuchungsgebiet bis in das Atlantikum verfolgt. Das atlantische und subboreale Ausediment (3a und 3b) wurde nur an wenigen Stellen gefunden. Eine starke Ausedimentation konnte erst wieder für das Mittelalter (ab 9./10. Jh.) festgestellt werden (AS 4). Es wurde ein bis zu 2 m mächtiger toniger bis schluffiger Lehm abgelagert, der zumeist älteren Schottern bzw. Schlick-Sand-Wechsellagen (Atlantikum bis Subatlantikum) aufliegt.

Die neuzeitliche Sedimentation begann mit einer Umlagerung des älteren Schotterkörpers. Ihr folgten in der Regel Sande, die kontinuierlich in sandig-schluffigen Lehm (AS 5) übergehen. Durch die ständige und noch anhaltende Sedimentation wuchs der Abstand zwischen Flußufer und Flußbett, so daß die Häufigkeit und Größe einer Inundation und damit die Neusedimentation auf den höheren Auniveaus immer geringer wurde. Heute nimmt das Inundationsgebiet einen kleineren Raum ein als zur Zeit der Sedimentation der AS 4-Decke (vgl. südlich Heuchelheim) und der AS 5-Decke (Lollar). Das jüngste Ausediment (AS 6), ein humoser sandiger Schluff, kam nach der Kanalisation auf dem unteren Niveau (hauptsächlich im Gleithang des seitlich erodierenden Flusses) zur Ablagerung. Wegen der weit in die Talaue hineinreichenden Bims- und Präbims-Horizonte kann angenommen werden, daß ein großer Teil der heutigen Talaue durch die pleistozäne Flußarbeit bestimmt ist, die nicht nur intensiver, sondern auch länger gewirkt und die Basis des heutigen Formenbildes angelegt hat. Auch die schwächeren Arbeitsphasen im Holozän wiesen Erosions- und Sedimentationsvorgänge auf, doch beschränkten sich die Um- und Ablagerungen grobklastischen Materials auf das Flußbett. Die Ausedimentation fand hingegen bis zur Talauengrenze statt.

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